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Liebe Mitglieder der Hayek-Gesellschaft,

im Namen des gesamten Vorstands wünsche Ihnen von Herzen ein frohes neues Jahr und viel Erfolg bei allem, was Ihnen wichtig ist.

Das vergangene Jahr bot mit dem fünfzigjährigen Jubiläum der deutschen Ausgabe von Hayeks „Verfassung der Freiheit“ einen wichtigen Anlass, sich über die Grundlagen und das Wesen einer freien Gesellschaft tiefgründig auszutauschen. Auf den Hayek-Tagen in Würzburg und dem Forum Freiheit in Potsdam gab es reichlich Gelegenheit und Bedarf dazu. Auch deshalb, weil die Freiheit in weiten Teilen der westlichen Welt nicht in guter Verfassung ist. Polarisierung, Diffamierung und ein zunehmend eingeengtes Debattenspektrum schaden dem politischen Diskurs – dem Lebenselixier der offenen Gesellschaft. So werden auch diejenigen, die Brücken zwischen den Lagern bauen wollen, in einer Wer-nicht-für-uns-ist-ist-gegen-uns-Attitüde ihrerseits in Ecken geschoben, mit denen sie nichts zu tun haben. Einschüchterung nährt ein Klima des öffentlichen Konformismus. Wenn Eigenverantwortung zur Floskel des Jahres herabsinkt und das Pochen auf Grundrechte nur noch als Freiheitsgesäusel gilt, dann steht es schlecht um die freie Gesellschaft. Die Manipulation der Sprache ist seit jeher ein Anzeichen für illiberale Tendenzen.

Zur Meinungsfreiheit gehört mehr als ein formal festgeschriebenes Grundrecht – sie muss in einer Demokratie auch gelebt werden können, ohne feindseligen Verdächtigungen ausgesetzt zu sein. Ein übermoralisierender Diskurs, bei dem unliebsame Positionen mit grotesken Extremismus-Keulen niedergedrückt werden, schadet dem Gemeinwesen und schürt nur weitere Polarisierung. Zudem gilt wohl auch für das Gefühl moralischer Überlegenheit das allgemeine Nachfragegesetz: Je billiger etwas zu haben ist, desto mehr Menschen greifen zu. Gratismut wird bis zur Sättigungsgrenze abgegriffen. Zivilcourage bleibt hingegen eine Kostbarkeit, die sich nicht jeder leisten will. Dies umso weniger, wenn reflexhafte Empörungsrituale das Eintreten für Minderheitspositionen weiter verteuern und Andersdenkenden pauschal üble Absichten unterstellt werden. Ausnahmslos jeder Fortschritt wurde zunächst von kleinen Minderheiten angestoßen. Freilich können dabei auch viele unsinnige Ideen entstehen. Einen politischen Filter für das, was sich später einmal bewährt, wird man aber vergeblich suchen. Liberale setzen auf die Mündigkeit von Bürgern, die in einem freien Diskursumfeld sehr wohl selbst über Gut und Böse, richtig und falsch urteilen können. Für betreutes Denken ist in einem freien Land kein Platz. Es würde ein höheres Wissen voraussetzen, das sich nur diejenigen anmaßen, denen die Ideen Hayeks nie begegnet sind.

Liberale tun gut daran, unbeirrt auf die Kraft der besseren Ideen zu setzen und sich von keiner Seite provozieren oder vereinnahmen zu lassen, zumal sich die Polarisierung früher oder später selbst ad absurdum führen muss. In der Hayek-Gesellschaft haben wir das Privileg, gesellschaftliche Entwicklungen jenseits der Parteipolitik diskutieren zu können. Das soll die Arbeit derjenigen nicht schmälern, die in den Parteien für liberale Inhalte streiten. Ihnen gebührt Verständnis für die Notwendigkeit von Kompromissen. Allerdings sollten diese dann auch als solche erkennbar werden und nicht der Eindruck entstehen, das Regierungshandeln diene letztlich nur individuellen Freiheitsspielräumen. Davon ist die Politik in diesem Land jedenfalls weit entfernt. Der Freiheitsbegriff leidet, wenn krampfhaft alles staatliche Handeln als Dienst an der Freiheit deklariert wird: „Freiheit ist Freiheit, nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur oder menschliches Glück oder ein ruhiges Gewissen“ (Dahrendorf). Liberalen fällt kein Zacken aus der freiheitlichen Krone, auch Trade-offs anzuerkennen.

Auch im neuen Jahr stehen wieder hochkarätige Jubiläen an. Einige Highlights möchte ich an dieser Stelle nur kurz antippen: Die Erstveröffentlichung von Mises „Gemeinwirtschaft – Untersuchungen über den Sozialismus“ jährt sich zum 100. Male. Diese wohl beste sozio-ökonomische Musterprognose aller Zeiten hat uns auch heute noch (bzw. wieder) viel zu sagen. Im April feiert die Mont Pèlerin Society, die Pate für unsere Hayek-Gesellschaft stand, ihr 75-jähriges Bestehen. Aus Hayeks Werk ist insbesondere das vor fünfzig Jahren erschienene „A Tiger by the Tail“ hervorzuheben, mit dem Sudha R. Shenoy Hayeks Auseinandersetzung mit dem Keynesianismus meisterhaft systematisiert hat (frei zugänglich unter https://mises.org/library/tiger-tail-0) – in Zeiten ausufernden Makromanagements ebenfalls hockaktuell.

Die Vorbereitungen für die nächsten Hayek-Tage laufen bereits auf Hochtouren. Bitte notieren Sie sich doch schon mal den 17./18. Juni. Ich freue mich darauf, in Potsdam vielen von Ihnen auch wieder persönlich begegnen zu können.

Last but not least: Die Geschäftsstelle der Hayek-Gesellschaft ist zum Jahreswechsel umgezogen. Sie finden uns ab sofort in der Albrechtstraße 11, 10117 Berlin-Mitte (Telefon unverändert: +49 30 / 27582718). Herzlich danken möchte ich allen Helfern, die beim Umzug so tatkräftig angepackt haben. Neben der physischen Präsenz spielt für uns auch die virtuelle Präsenz eine große Rolle. Mein besonderer Dank gilt hierbei wieder Herrn Dreblow, der über unseren YouTube-Kanal die vielen interessanten Vorträge und Diskussionen auf unseren Veranstaltungen auch für diejenigen zugänglich macht, die nicht dabei sein konnten. Ansonsten wird es Sie freuen, dass uns bereits über 1600 Menschen auf Twitter folgen.

Nochmals die besten Wünsche für das neue Jahr und herzliche Grüße

Ihr

Stefan Kooths

P.S.: Anbei ein Interview, das kürzlich im Handelsblatt erschienen ist und in dem ich die Herausforderungen im Euroraum für die Stabilität der Währung anspreche, die seitens der Wirtschaftspolitik kaum adressiert werden. Handelsblatt-Abonnenten finden es hier: https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/interview-ifw-praesident-stefan-kooths-der-euro-ist-fuer-deutschland-nicht-alternativlos/27893788.html