Liebe Mitglieder der Hayek-Gesellschaft,
Krisenzeiten stärken auf den ersten Blick den Interventionismus. Aber eben nur auf den ersten Blick. Unter dem akuten Kriseneindruck wird zunächst der Ruf nach schneller Abhilfe durch staatliche Eingriffe lauter und interventionsfreudige Politiker drängen dann in den Vordergrund – nicht selten, um dann auch Dinge durchzusetzen, die aus guten Gründen in normalen Zeiten keine Mehrheiten finden. Typischerweise wird dabei systematisch gegen die Marktkräfte gespielt statt mit ihnen. Damit mehren sich jedoch zugleich die Enttäuschungen. Denn Marktwirtschaften sind ja gerade keine Schönwetterveranstaltungen, sondern sie helfen uns, mit Knappheiten intelligent umzugehen. Setzt man Marktmechanismen außer Kraft, wird die Not nur größer. Hierauf hinzuweisen, ist daher gerade in Krisenzeiten für Liberale eine zentrale Aufgabe. Und mit der Interventionsflut steigen die illustrativen Beispiele – etwa im Bereich der Energiepolitik:
https://kooths.de/download/publications/2022-kooths_ifo-schnelldienst-StrategieStattSubventionen.pdf
Zugleich wächst in Krisen der Problemdruck. Politische Eskapaden und parteipolitisch verfestigte Positionen, die sonst eher hingenommen werden, stoßen auf mehr Widerstände. So hat sich in Deutschland in kurzer Zeit die Mehrheit gegenüber der Kernenergie gedreht. Und mittlerweile kommt es selbst bei den Erfindern der „Rente mit 63“ zu ersten Anzeichen eines Umdenkens. Der weltweite Standortwettbewerb wird schärfer, und damit stehen marktwirtschaftliche Reformen wieder höher im Kurs. Viele Menschen interessieren sich erst in Krisenzeiten dafür, ob Regulierungen nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sind. Ob ihnen der Staat das Leben also leichter oder schwerer macht. Vielleicht werden daher auch Fehlentwicklungen wie die EU Taxonomie unter dem Eindruck der Krisenlasten vermehrt einer kritischen Prüfung unterworfen:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/ev-2022-0028/html
Technologieoffenheit, stabile Staatsfinanzen, Deregulierung – all das sind klassische Liberale Themen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Wie auch Freiheitsfragen jenseits der ökonomischen Sphäre. Auch hier dürften Krisen eine reinigende Kraft entfalten. So ist der Nimbus der Überlegenheit autoritärer Regime mit Blick auf die Pandemiebekämpfung mit dem Versagen der chinesischen Covid-Politik nun wohl auch bei denjenigen verflogen, die die pluralistischen Systeme des Westens anfänglich im Nachteil sahen. Umso erfreulicher, wenn sich jetzt mehr und mehr herausstellt, dass es gerade die Lernfähigkeit und das Zulassen von kontroversen Diskursen ist, die bei der Suche nach dem richtigen Weg autoritären Ansagen überlegen sind. Gerade auch deshalb, weil Wissenschaft Politik nicht ersetzen kann. Auch diese freiheitsfeindliche Illusion ist nun – so scheint es mir – bei vielen geplatzt. Gut so. Klassische Liberale waren ihr gegenüber ohnehin immun:
https://kooths.de/download/publications/2022-kooths_LI-WissenschaftUndPolitik-AnmassungVonMacht.pdf
Je stärker die Verheißungen des Interventionismus verblassen, desto größer wird das Interesse an freiheitlichen Alternativen. Liberale haben daher derzeit viel zu sagen. Und es freut mich außerordentlich, dass die Hayek-Gesellschaft in so gutem Fahrwasser ist und sich viele ihrer Mitglieder aktiv in die gesellschaftlichen Debatten einbringen. Hierzu kann ich Sie nur weiterhin ermutigen. Der beigefügte Ausblick auf die zentralen Veranstaltungen unserer Gesellschaft im kommenden Jahr macht wieder viel Vorfreude auf den weiteren Austausch.
Bis es soweit ist, wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben geruhsame Feiertage und einen erfolgreichen Start ins Neue Jahr.
Herzliche Grüße
Ihr Stefan Kooths