Juniorenkreis Politik in Berlin am 26. und 27. April

Nach längerer Pause fand am 26. und 27. April 2025 wieder unser beliebter Juniorenkreis Politik in der Berliner Hayek-Geschäftsstelle statt. Rund 20 Studierende und junge Berufstätige diskutierten in respektvoller Atmosphäre über wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen – bekannte Gesichter ebenso wie neue Teilnehmer. Ziel war es, Impulse für das eigene Denken und Handeln zu gewinnen – kurz um: eine lebendige universitäre Kultur zu pflegen.

Und das diesmalige Thema konnte nicht aktueller sein: „Liberale Revolutionäre von Ludwig Erhard bis Javier Milei“. In Zeiten, in denen Opportunismus, Wortbruch und Willkür das politische (deutsche) Tagesgeschäft bestimmen und staatliche Interventionen die individuelle Freiheit immer mehr einschränken, scheinen Grundsatzveränderungen im Sinne der liberal-konservativen Gesellschaftsvision in weite Ferne zu rücken.

Allerdings zeigt die Geschichte liberaler Reformen eindrucksvoll, dass es keine noch so aussichtslose Situation gibt, in der die Idee der Freiheit nicht wieder aufleben könnte – etwa bei Ludwig Erhard in Deutschland, Margaret Thatcher in England, Ronald Reagan in den USA oder Roger Douglas in Neuseeland. Nicht zu vergessen der zurzeit amtierende argentinische Ministerpräsident Javier Milei, der mit seiner kompromisslos durchgeführten libertären Agenda das Land von jahrzehntelanger Staatswirtschaft und Bürokratie befreit.

Von all diesen Beispielen können wir lernen, ja uns inspirieren und ermutigen lassen. Und wir erhalten Antworten auf wichtige Fragen: Was sind die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen für gesellschaftlichen Wandel? Durch welche Eigenschaften müssen sich liberale Reformer und Revolutionäre auszeichnen und welche (kommunikativen) Strategien müssen Sie anwenden, um Erfolg zu haben? Welche Rolle spielen die politischen Institutionen? Und vor allem, wie kann die breite Bevölkerung langfristig für die Idee der Freiheit gewonnen werden – im Sinne Erhards eine „formierte Gesellschaft“ gebaut werden?

So ergab sich eine lebhafte Diskussion. Texte von Ludwig Erhard, Friedrich August von Hayek, Ludwig von Mises, Kristian Niemietz, Gerd Habermann u.a. dienten uns als Gesprächsgrundlage. Deutlich wurde, dass Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht voneinander zu trennen sind. Denn Wohlstand in der gesellschaftlichen Breite – eine Folge wohlstandsschaffenden Unternehmertums, nicht von Umverteilung und Postenbesetzung – versetzt den Einzelnen in die Lage, für sich selbst und sein unmittelbares Umfeld zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen.

Eine auf Eigeninitiative und persönlicher Integrität aufbauende Gesellschaft kann dann auch eine wahrhaft soziale Gesellschaft sein. Der egalitäre Wohlfahrtsstaat unterminiert die natürlichen Solidaritätsbeziehungen, mechanisiert und funktionalisiert sie – nimmt ihnen das eigentlich Menschliche. Ähnlich wie Ludwig Erhard, muss es dem liberalen Streiter also gelingen, den Begriff des „Sozialen“ zurückerobern – denn eine funktionierende Marktwirtschaft, auch wenn Sie eines stabilen durch den Staat gesetzten Rechtsrahmens bedarf, ist für sich schon genommen eine soziale und moralische Einrichtung.

Überhaupt muss der Liberale sich in seinem Umfeld dafür einsetzen, die positive Ideale des Liberalismus zu vermitteln – auch wenn ihm wegen seiner anti-konstruktivistischen Weltschau die konkrete Utopie versagt ist. Er muss sich aber nicht verstecken: Immerhin tritt er selbstverständlich für Werte wie Nation, Familie und Solidarität ein. Er weiß aber, dass man diese nicht erzwingen kann, ja dass sie Handlungsfreiheit notwendig voraussetzen.

Noch viel mehr muss es dem Liberalen ein Anliegen sein, den Ordo zur gesellschaftlichen Leitlinie zu erheben. Er hat sich gegen die immerfort rentensuchenden Partikularinteressen zu behaupten und mutig das Gesamtinteresse der freiheitlichen Gesellschaftsordnung voranzustellen. Das schließt ein, sich für eine Abschaffung politischer Privilegien in ihrer Gesamtheit einzusetzen – eine Bekämpfung der Plutokratie im besten Sinne. Hierzu braucht es Entscheidungsmut, Standfestigkeit gegenüber politischem Druck und eine Gesamtschau gesellschaftlicher Zusammenhänge – allesamt Eigenschaften, die liberale Reformer wie Ludwig Erhard, Margaret Thatcher oder Roger Douglas unter Beweis gestellt haben. Trotzdem sind die politischen Determinanten immer verschieden – das beginnt schon mit der Art des Wahlverfahrens und der Abfolge parlamentarischer Prozesse. Ob der Reformer nun „Big-Bang“-Methode oder ein graduelles Verfahren für seine Ziele wählt, muss der konkreten Situation vorbehalten sein.  

Außerdem beschäftigte uns die Maxime Hayeks, dass eine Gesellschaft die Freiheit nicht nur auf ihre erkennbare Nützlichkeit abstellen darf, sondern sie als Grundprinzip verteidigen muss, wenn sie wirklich erhalten bleiben soll. Hayek räumt ein, dass die Freiheit zeitweise eingeschränkt werden kann, falls sie selbst bedroht wird. Allerdings, so diskutierten wir kontrovers, stellt sich dann die Frage, inwiefern Freiheit wirklich noch als ein den politischen Machthaber einschränkendes Prinzip zu verstehen ist. Gerade vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Politik Ronald Regans, der auf der einen Seite umfassende liberale Reformen (etwa die Steuerreform) einleitete, aber auf der anderen Seite eine großangelegte Neuverschuldung zugunsten des Kampfes gegen den „sozialistischen Systemfeind“ durchführte, stellt sich die Frage: Welche Ausnahmen von der allgemeinen Regel sind zulässig, um die Freiheit wirksam zu verteidigen?

Wenn Ausnahmeregelungen möglich sind, besteht die Gefahr, dass jede scheinbar opportun wirkende Maßnahme als Verteidigung der Freiheit ausgelegt wird – man denke an Narrative in der Corona-Pandemie oder der laufenden Klimapolitik. Schnell heißt Freiheit verteidigen, die Lebensexistenz verteidigen – und dann etabliert sich der positive Freiheitsbegriff, der die eigentliche gesellschaftliche Handlungsfreiheit – nämlich Zwang abwehren zu können – untergraben muss. Insofern sind einschränkende Maßnahmen für die Freiheit nur dann zu setzen, wenn Freiheit als ein Grundrecht (rechtliche, insofern praktische Kategorie) bedroht ist (etwa im Falle eines expandieren autoritären Regimes), nicht aber, wenn eine bestimmte allgemeine Not die Lebensgrundlagen der Gesellschaft gefährdet – hier ist auf das Entdeckungsverfahren dezentraler Entscheidungsprozesse zu setzen. Uns Hayek-Junioren wurde wieder neu bewusst, dass Freiheit nicht allein abstraktes Konzept in der Studierstube des Elfenbeinturms bleiben darf – Nein, sie muss immer wieder neu verhandelt und auf die gesellschaftliche Gegenwart angewendet werden.

Außerdem beschäftigen uns die Problematik der Übertragung der Kleingruppenethik auf komplexe arbeitsteilige Gesellschaften, sowie der strategische Umgang mit einem weit verbreitetem „Gefühlssozialismus“. Wie können wir darauf reagieren? Welche Argumente haben wir, und welche moralischen Argumente können wir vorbringen? In der Tat – die soziologische Bemerkung, dass eine wohlhabende Gesellschaft anfällig für massenwirksamen Wohlfahrtsegalitarismus wird – ja, dass sich der Kapitalismus im Zuge wachsenden Konsumverdrusses, Langeweile und Nihilismus selbst bedroht (Schumpeter, aber bereits schon Tocqueville) – ist ein ernstzunehmendes Problem.

Ein Teil der Lösung könnte sein: Stärkung des Eigentums in der gesellschaftlichen Breite (auch im Zuge von richtig durchgeführten Privatisierungsmaßnahmen) – ganz in der Tradition der Ordoliberalen. Denn nicht bloßer Konsum, sondern Verantwortung und Verpflichtung spendet Lebenssinn und Perspektive. Die zurzeit destruktive Rolle des Staates in der Eigentumsproblematik ist in dieser Hinsicht kritisch zu überdenken und in praktische Forderungen umzusetzen.

Ein besonderes Highlight kam von unserem Ehrengast Nickolas Emrich, der einen motivierenden Impulsvortrag über sein Buch „Politik ist das Problem, nicht die Lösung“ hielt. Seine Kernbotschaft ist, dass es grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft geben kann, wenn die Bevölkerung nur hinreichend über das politische System, dessen Funktionsweise und Privilegien informiert wird. Wissen und Transparenz setzen sich dann langfristig in politischen Willen um – eine ermutigende Aussicht.

Nicht zuletzt haben wir inspirierende Tischreden über selbstgewählte Themen gehört: Second-Brain-Methode (schließt an das Zettelkastenprinzips Niklas Luhmanns an), Mediales und Digitales Fasten (Ein Plädoyer für mehr Ruhe, Achtsamkeit und Reflexion), und Person und Werk Ernst Jüngers (Wir sollen „Waldläufer“ sein). So erfrischend vielfältig war unser Juniorenkreis!  

Zu guter Letzt blieb uns ein mutmachender Ausblick. Ideen haben eine gewaltige Kraft – und auch wenn die Gesellschaft scheinbare Rückschritte macht, so werden diese Ideen doch irgendwann wieder aufleben. Jeder einzelne Mensch kann in seinem Umfeld wirken und die liberale Idee authentisch vertreten. Das scheint zwar auf den ersten Blick wenig, aber letztlich ist es gerade das Zusammenspiel dieser vielen Einzelbemühungen, welches etwas Neues und in seiner Kraft Unerwartetes schaffen kann – eine spontane Ordnung im Sinne Hayeks.

Auch unter dem Eindruck der vielen hochengagierten und selbstreflektierten jungen Leute, die unseren Juniorenkreis Politik besucht und mit Leben gefüllt haben, halten wir es mit dem optimistischen Credo Ludwig von Mises in einer seiner Vorlesungen über Wirtschaft und Politik: „Ich selbst habe volles Vertrauen in die Zukunft der Freiheit, der politischen wie wirtschaftlichen.“

Johannes Koberstein
(Teil der Gesprächsführung)

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